Interview mit Erich Oberem Ich werde noch zwei Jahre dranhängen

Mönchengladbach · Erich Oberem will noch einmal als Vorsitzender der FWG kandidieren. Den FWG-Fraktionsvorsitzenden Bernd Püllen wird er demnächst im Bauausschuss ablösen. Die Finanzpolitik der Ampel-Fraktionen sieht er kritisch: Ihm fehlt der Sparwillen.

Der Papst hat seinen Rücktritt zum 28. Februar verkündet. Da endet auch Ihre Amtszeit als Parteivorsitzender. Wollen Sie es ihm nachtun?

Oberem (lacht) Je mehr ältere Leute wie ich in der FWG eingesetzt werden, umso besser bilden wir den demografischen Faktor ab. Aber Spaß beiseite: Ich bin noch bis zum 28. Februar gewählt und trete noch einmal für weitere zwei Jahre an.

Damit führen Sie die FWG auch in die nächste Kommunalwahl. Wie ist man dafür aufgestellt? Gibt es genügend Kandidaten für die Wahlkreise?

Oberem Das wird kein Problem sein. Wir haben um die 100 Mitglieder, von denen 60 bis 70 Prozent zu den Mitgliederversammlungen kommen. Das macht mir Hoffnung. Wir brauchen aber auch Nachwuchs aus jüngeren Schichten.

Womit wollen Sie beim Nachwuchs punkten?

Oberem Wir demonstrieren, dass man bei uns eine Chance bekommt. Wir haben in den Führungspositionen viele junge Leute, also Leute, die um die 50 Jahre alt sind. Die haben wir, und die werden von uns auch gut unterstützt. Der Fraktionsvorsitzende Bernd Püllen wird zum Beispiel bald mehr Freiraum bekommen, da ich ihn im Planungs- und Bauausschuss ersetze und so entlaste. Der Wechsel wird in der nächsten Sitzung vollzogen.

In der Stadt drehen sich die Kräne, es herrscht Aufbruchstimmung. Welche Bedeutung haben die Baumaßnahmen in Rheydt und der Innenstadt für Mönchengladbach?

Oberem Das kommt darauf an, was man darunter versteht. Die Arcaden beispielsweise sollen den Einzelhandel beflügeln und für zusätzlichen Umsatz sorgen. Ich bin mir nicht sicher, ob das dauerhaft machbar ist. Natürlich ist es wichtig, Umsatz zu schaffen, es kommt aber auch auf die Qualifikationen an, die dahinter stecken.

Was fehlt?

Oberem In Mönchengladbach leben viele Menschen mit geringem Einkommen. Der Grund dafür ist, dass die wirtschaftliche Situation der Vergangenheit bis heute fortwährt. Die Textilindustrie brauchte billige Arbeitskräfte und wurde heute durch die Logistik ersetzt. Die Leute verdienen wenig, oft sind es nur 400-Euro-Kräfte.

Immerhin sind dadurch Arbeitsplätze entstanden.

Oberem Natürlich freut sich das Jobcenter, wenn es mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigte gibt. Trotzdem stecken dahinter Konzepte, die nicht in die Zukunft tragen. Das ist ein grundsätzliches Problem in dieser Stadt. Aber wir wollen nicht nur zurückschauen, sondern nach vorn. Vieles ist falsch entschieden worden in der Stadt. Aber wir schauen, wie man das Beste daraus macht.

Was muss stattdessen passieren?

Oberem Nehmen wir die Großbaustellen in der Stadt: Dort sieht man keine aktiven Gladbacher Unternehmen. Handwerksbetriebe sind, wenn überhaupt, nur im Hintergrund tätig. Dabei lebt diese Stadt vom Handwerk. Die Zahl der industriellen Betriebe geht immer stärker zurück. Dafür braucht es qualitativ gleichwertige Alternativen. Man muss die Stadt in ihrer Gesamtheit betrachten, um Lösungen zu finden.

So wie es der Masterplan im Bereich Städteplanung versucht?

Oberem Der Masterplan erfordert, dass man genau hinguckt, damit man daraus Honig für die Zukunft ziehen kann. Es macht keinen Sinn, den Plan 1:1 umzusetzen. Der Plan ist eher eine Utopie als eine Vision — mit einzelnen interessanten Elementen.

Wäre eine neue Bibliothek auch ein interessantes Element für die Belebung der Stadt?

Oberem Es wurde von der Ampel einfach beschlossen. Die 18 Millionen werden für den Bau aber nicht ausreichen. Ich schätze, dass man ohne Grundstücke nicht unter 25 Millionen rauskommen wird. Es wird gesagt: Kauft erst einmal und danach schauen wir, wie wir das Projekt realisieren und finanzieren.

Ihnen fehlt die Transparenz?

Oberem Wir waren die ersten, die im Januar 2012 klare Fragen an die Verwaltung formuliert haben, warum man auf die Idee kommt, eine neue Bibliothek bauen zu müssen. Der Antrag wurde von allen abgelehnt — sogar von der CDU und kam nicht durch.

Hat sich die Politik nach dem Wechsel der Mehrheit von CDU und FDP zur Ampel denn geändert?

Oberem Es ist eine Veränderung vorhanden. Negative Tendenzen haben sich verschärft. Man hat der CDU immer vorgeworfen, Eigeninteressen bei Maßnahmen in der Stadt umzusetzen. Das hat sich heute verschärft. Früher gab es im Rat und den Ausschüssen noch Diskussionen, heute werden sie von vornherein ausgeschlossen.

Gespräche im Hinterzimmer gab es doch früher auch schon.

Oberem Natürlich gab es sie, ein gewisser Grad an Öffentlichkeit wurde aber nicht gescheut. Heute erfahren die Bürger nur die Ergebnisse der Gespräche von drei, vier oder sechs Leuten der Ampel — wobei sich die SPD permanent den Mehrheitsbringern unterwirft, obwohl sie eigentlich stärkste Kraft ist. Wir wollen eine offene Diskussion, die an Sachfragen orientiert ist.

Gibt es dann überhaupt eine Konstellation, in der Sie sich eine Kooperation der FWG mit einer oder mehreren anderen Parteien vorstellen können?

Oberem Es kommt auf die Situationen an. Wenn man in der Sache etwas bewegen möchte, wäre ich dafür. Wenn es darum geht, Posten zu verteilen, dann machen wir nicht mit.

Mit welchen Themen will die FWG denn bei der Kommunalwahl beim Wähler punkten?

Oberem Wir werden dem Bürger eine Haushaltssanierung vorschlagen, die diesen Namen auch verdient und den Bürger nicht nur zur Kasse bittet. Man muss mit den Ressourcen, die zur Verfügung stehen, zurecht kommen. Wir haben Sanierungsvorschläge, die einen Umfang von 20 Millionen haben. Wir müssen den Haushalt sanieren, daher haben wir auch den Stärkungspakt von Anfang an unterstützt, weil wir gehofft haben, dass sich dadurch auch der Sparwillen erhöht.

Das ist nicht passiert?

Oberem Leider war es nicht der Sparwille, der gestärkt wurde, sondern der Drang, Einnahmen zu erzielen. Wenn es in dieser Stadt Politiker gibt, die der Meinung sind, der Bürger habe bislang zu wenig gezahlt, dann ist denjenigen, die solche Leute gewählt haben, im Grunde nur Gerechtigkeit widerfahren. Ich glaube allerdings nicht, dass das die Mehrheit der Bürger ist.

Was wäre also zu tun?

Oberem Es muss eine Aufgabenkritik geben. Es geht nicht darum, in der Verwaltung pauschal Personal zu sparen. Es geht darum, die Verwaltung auf Füße zu stellen, die den heutigen Aufgaben gerecht werden. Oder das Beispiel Sportanlagen: Die Anlagen, die früher gebaut wurden, werden heute teilweise nur noch für Fußball gebraucht. Viele Leute gehen nicht mehr in einen Verein, sondern für viel Geld ins Fitnessstudio. Muss man also bei der Sanierung von Sportanlagen noch immer das Geld ausgeben, um sie für Breitensport fit zu machen?

Dann könnte man auch fragen, ob die Stadt ein Theater braucht, wenn die Jüngeren es nicht mehr nutzen.

Oberem Ein Theater ist für die Stadt nötig und unersetzbar. Hier will ich mit meinem Enkel ins Theater gehen. Er muss wissen, dass hier auch ein Klima blüht, dass sich zu mehr Gedanken macht, als nur zu Essen und Trinken.

DAS GESPRÄCH FÜHRTEN RALF JÜNGERMANN UND FLORIAN RINKE

(RP)
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