Eindrücke aus Mönchengladbach
Erich Oberem

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Eine Antwort von Erich Oberem.

Welch eine Frage! Die einen sagen: Gut, die anderen: Gar nicht. Doch so einfach wollen wir uns die Sache nicht machen. Was kann der Fragesteller wohl meinen? Das müssen wir zuerst klären.


Anschein

Zeigt sich Kommunalpolitik, wenn - was man häufig sieht - Mitmenschen, mit dem Ruf, Politiker zu sein, auftreten? Schwarzer Anzug, ernste Miene, gemessene Bewegung, ganz von der eigenen Bedeutsamkeit überzeugt, z. B. bei Schützenfesten oder im Karneval, auch bei Sportveranstaltungen. Manchmal halten sie eine Rede, bei der sie sich bemühen, den Zuhörern den Eindruck zu vermitteln, einer der ihren zu sein. Beliebtes Mittel ist der Appell an die Gleichgesinnung unter Fans von irgendwem oder irgendwas. Jedenfalls von etwas, wovon anzunehmen ist, dass die meisten Zuhörer damit identifiziert sind. Bei dem einen oder anderen dieser Politiker kann man bei solchen Gelegenheiten auch schon mal etwas Vernünftiges hören. Doch das ist selten, weil die meisten nur versuchen, einen guten Eindruck zu machen. Das gelingt um so besser, je besser einer versteht, den Zuhörern nach dem Munde zu reden.

Es kann natürlich auch sein, dass man meint, Kommunalpolitik zu erleben, wenn der Oberbürgermeister zu Pferde mit prächtiger Schützenuniform erscheint, um die Parade beim Stadtschützenfest zu bereichern. Ein solcher Eindruck könnte sich verstärken, wenn als Politiker bekannte und sonstige Prominente den Auftritt des Oberbürgermeisters unterstützen. Vielleicht zeigt sich Kommunalpolitik sogar, wenn der Oberbürgermeister im Theater beim Karnevalskonzert den närrischen Dirigenten markiert und dafür mit frenetischem Beifall bedacht wird.

Kann das tatsächlich die Antwort auf die Frage bieten, wie Kommunalpolitik funktioniert? Wohl eher nicht! Hier sind eigenartige Formen von Stadtrepräsentation zu erleben. Sicher gehört Repräsentation auch zur Kommunalpolitik. Doch Kommunalpolitik erschöpft sich nicht in billiger Repräsentation. Funktionierende Kommunalpolitik geht tiefer und weiter.


Grundverständnis

Mit Kommunalpolitik wird wohl alles gemeint sein, was irgendwie mit Vorgängen zu tun hat, die mit der Erledigung öffentlicher Aufgaben in der Zuständigkeit der Gemeinde, der Stadt, der Kommune verbunden sind. Denn die Gemeinden sind Grundlage des demokratischen Staatsaufbaues, wie man in der Gemeindeordnung nachlesen kann. Sie sind zuständig für alle öffentlichen Angelegenheiten in ihrem Gebiet, soweit nicht durch Gesetzt andere Aufgabenträger benannt sind. Damit bestimmt die Gemeindeordnung den Grundsatz der Allzuständigkeit für die Gemeinden in ihrem Gebiet. Im Rahmen dieser Zuständigkeit fördern die Gemeinden das Wohl ihrer Einwohner in freier Selbstverwaltung. Und das tun Sie durch die von der Bürgerschaft gewählten Organe. Dabei unterliegen sie der staatlichen Aufsicht.

Hier haben wir die Schlüsselworte für das Wirken der Kommunalpolitik im weitesten Sinne.


Wahlen

Gewählte Organe können nur wirken, wenn sie Bestandteil einer Organisation sind. Diese Organisation ist die Gemeindeverwaltung. Die wiederum besteht aus dem Rat einerseits und dem Bürgermeister, der in kreisfreien Städten wie Mönchengladbach Oberbürgermeister heißt. Der Rat ist das oberste Organ der Gemeinde. Er besteht aus den von den Bürgern gewählten Mitgliedern. Die Bürger wählen auch den Oberbürgermeister, der dadurch Mitglied des Rates wird. Bürger sind nur die Einwohner, die zu den Gemeindewahlen wahlberechtigt sind. Die ersten Schritte zu funktionierender Kommunalpolitik sind also die Wahl des Rates und die Wahl des Oberbürgermeisters.

Ob sich die Bürgerschaft der Tatsache bewusst ist, dass ihr Wahlverhalten bereits Teil von Kommunalpolitik ist, lässt sich daran messen, wie viele Bürger von ihrem so gestalteten Mitwirkungsrecht in der Kommunalpolitik Gebrauch machen. Etwas mehr als 50% der Wahlberechtigten für den Rat und noch weniger für die Oberbürgermeisterwahl nutzen diese Mitwirkungsmöglichkeit in Mönchengladbach. Das ist gemessen an der Bedeutung dieser Akte als funktionierende Kommunalpolitik wenig, zu wenig.


Instanzen

Der Rat ist als oberstes Organ der Gemeinde für alle Angelegenheiten zuständig. Von dieser Zuständigkeit kann er auf den Oberbürgermeister oder auf Ausschüsse übertragen. Die Gemeindeordnung gibt dem Oberbürgermeister Rechte, indem sie bestimmt, dass die Zuständigkeit für die laufenden Geschäfte der Verwaltung als im Namen des Rates auf den Oberbürgermeister übertragen gilt. Einzelne Zuständigkeiten oder die Zuständigkeit für einen bestimmten Kreis von Geschäften kann der Rat wieder entziehen, um sie selbst auszuüben oder einem Ausschuss zu übertragen. Entmachten durch vollständigen oder weitgehenden Entzug von Zuständigkeiten kann der Rat den Oberbürgermeister aber nicht. Andererseits gibt es Zuständigkeiten, die der Rat nicht übertragen kann. Diese sind in der Gemeindeordnung benannt.

Die Bezirksvertretungen sind eine weitere kommunalpolitische Instanz. Sie sind zuständig für Angelegenheiten, deren Bedeutung nicht über die Grenzen eines Stadtbezirks hinausgeht. Wie der Rat und der Oberbürgermeister werden auch die Bezirksvertretungen von der Bürgerschaft gewählt. Es wählen die im Bezirk ansässigen Bürger. Wie die Ausschüsse kann der Rat auch Bezirksvertretungen mit Zuständigkeiten aus seinem oder des Oberbürgermeisters Zuständigkeitsbereich betrauen.

Im Rat, den Bezirksvertretungen und Ausschüssen werden Entscheidungen durch Abstimmung getroffen. Meist reicht eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen. In Einzelfällen ist eine qualifizierte Mehrheit (z.B. Zweidrittel der Mitglieder des Rates) zur Entscheidung nötig. Stimmenthaltungen werden nicht mitgezählt.

Das System der Entscheidungsbefugnisse ist Auswirkung der gesetzlichen Funktion von Rat und Oberbürgermeister als Vertretung der Bürgerschaft. Damit wird die gesetzliche Festlegung erfüllt, wonach die Verwaltung der Gemeinde ausschließlich durch den Willen der Bürgerschaft bestimmt wird.

So also funktioniert Kommunalpolitik als freie Selbstverwaltung unter bürgerschaftlicher Mitwirkung auf der untersten Ebene des demokratischen Staatsaufbaues der Bundesrepublik.


Zwischenspiel

Die Frage geht aber weiter als nur bis zu dieser Erkenntnis. In diesem Teil von Kommunalpolitik finden wir die bereits erwähnten Damen und Herren, die bei Kirmessen, Schützenfesten, Sportveranstaltungen und ähnlichen Gelegenheit gerne auftreten und da mehr oder weniger kluge Reden halten. Zuspruch für sich zu gewinnen, ist der Zweck dieser Auftritte. Damit suchen sie sich beliebt zu machen für die nächste Wahl. Ein Sitz im Rat oder einer Bezirksvertretung ist das Ziel. Wer ankommt bei seinen Zuhörern, hat zusätzlich gute Chancen, von seiner Partei oder sonstigen im Kommunalwahlkampf beteiligten Gruppierung für einen Sitz in einem Ausschuss des Rates bestimmt zu werden.

Manchmal gelingt es den Bürgern aber, diesen Politikern ein Anliegen mit auf den Weg zu geben, das im Rat oder einer Bezirksvertretung oder einem Ausschuss Beratungsgegenstand werden soll. Hier stößt man auf das Phänomen der unmittelbaren Bürgerbeteiligung. Die beschriebene Möglichkeit für diese Form von Kommunalpolitik ist nur eine unter mehreren. Wir werden uns damit noch an anderer Stelle zu befassen haben.


Stadtverwaltung

Rat, Bezirksvertretungen und Ausschüsse sind nicht arbeitsfähig, ohne dass ein anderes Element der Kommunalpolitik tätig wird. Das ist der Oberbürgermeister. Dieser nämlich hat die Beschlüsse dieser Gremien, die Entscheidungen, vorzubereiten. Die Vorbereitung der Beschlüsse des Rates, der Bezirksvertretungen und der Ausschüsse ist eine Aufgabe, die Sach- und Fachverstand erfordert, Arbeitskraft bindet, vom Oberbürgermeister oder aus den Gremien heraus initiiert wird. Hier ist der Oberbürgermeister zum einen persönlich gefordert, andererseits aber auch die Organisation, die er leitet – die Verwaltung im engeren Sinne. Das ist der Apparat, dessen sich der Oberbürgermeister zur Erfüllung seiner Aufgaben bedient. Auf die Verwaltung in diesem Sinne hat der Rat auch in seiner Eigenschaft als oberstes Organ der Gemeinde keinen Einfluss. Die Organisation der Verwaltung ist allein in der Verantwortung des Organs Oberbürgermeister. Das hat guten Grund. Wären Aufbau und Zuständigkeitsverteilung in der Verwaltung dem entscheidenden Einfluss des Rates unterworfen, hätte der auch Verantwortung dafür, wie die Vorbereitung der Beschlüsse vonstatten geht. Dies aber hat die Gemeindeordnung ausgeschlossen.

Die Vorbereitung von Beschlüssen der Gremien ist nur eine Aufgabe des Oberbürgermeisters, die er mit Hilfe der Verwaltung erfüllen muss. Die laufenden Geschäfte sind ihm daneben unentziehbar übertragen. Bei Bearbeitung und Entscheidung in diesen Angelegenheiten bedient er sich der Verwaltung. Beigeordnete - das sind für acht Jahre gewählte Beamte - helfen ihm dabei. Jeder Beigeordnete vertritt den Oberbürgermeister in einem Kreis von Geschäften. Alle bilden zusammen mit dem Oberbürgermeister den Verwaltungsvorstand. Wichtige Geschäftsvorfälle sind im Verwaltungsvorstand zu erörtern, der sich zu diesem Zweck regelmäßig trifft. Die letztverbindliche Entscheidung bei allen Angelegenheiten bleibt dem Oberbürgermeister vorbehalten. Zu den Angelegenheiten, die in der Konferenz des Verwaltungsvorstandes erörtert werden, gehören auch die vorbereiteten Beschlüsse für Rat, Bezirksvertretungen und Ausschüsse. Auf diese Weise wird die Einheitlichkeit der Meinung in der Verwaltungsführung gesichert.


Entscheidungen

Man erkennt, dass die bei Schützenfesten, Karnevals- und Sportveranstaltungen auftretenden Offiziellen wenig geeignet sind anzuzeigen, wie Kommunalpolitik funktioniert. Sie sind allenfalls schmückendes Beiwerk. In den Gremien sind diese Akteure aber wichtig, weil sie bei Abstimmungen mitwirken. Zur Abstimmung stehen in der Regel die vom Oberbürgermeister oder in seiner Vertretung von einem Beigeordneten unterzeichneten Beratungsvorlagen. Diese dokumentieren die von der Verwaltung vorbereiteten Entscheidungen. Sie bestehen aus einem Beschlussvorschlag und einer Begründung. Abgestimmt wird über den Beschlussvorschlag. Die Begründung wird nicht Bestandteil des Beschlusses.

Nicht nur der Oberbürgermeister kann Beschlüsse vorschlagen. Dieses Recht haben auch die Fraktionen. Fraktionen sind die Mitglieder des Rates oder einer Bezirksvertretung, die einer von der Bürgerschaft bei der Kommunalwahl gewählten Partei oder sonstigen Wählergruppe angehören. Im Rat haben Fraktionsstatus nur Gruppierungen, denen mindestens drei Personen angehören, in den Bezirksvertretungen mindestens zwei.

Ist es gelungen, einen Politiker für ein Bürgeranliegen so zu interessieren, dass er dazu einen Beschluss erwirken möchte, muss er dafür sorgen, dass das Anliegen in der Fraktion anerkannt wird. Die Fraktion zeigt dem Oberbürgermeister an, dass sie das Anliegen zum Beratungsgegenstand in einer Sitzung machen möchte. Sie übermittelt dem Oberbürgermeister bis 10 Tage vor der Sitzung eine Beratungsvorlage. Dabei beantragt sie, der Oberbürgermeister möge die Angelegenheit auf die Tagesordnung der ausgewählten Sitzung setzen. Dem Wunsche muss der Oberbürgermeister folgen. In der Sitzung wird über die Angelegenheit beraten und abgestimmt.


Bürgerbeteiligung

Gelingt es nicht, ein Anliegen über das Initiativrecht einer Fraktion in die Beratung einzubringen, kann man sich einer anderen Möglichkeit bedienen. Der Rat muss nach der Gemeindeordnung einen Ausschuss für Anregungen und Beschwerden bilden. Diesem Ausschuss kann jeder Einwohner Anliegen schriftlich vortragen. Der Oberbürgermeister leitet solche Anliegen mit einer Stellungnahme und einem Beschlussvorschlag dem Ausschuss zu. Dieser entscheidet darüber selbst, soweit die Angelegenheit dies zulässt, oder leitet das Anliegen zu weiterer Beratung an zuständige Ausschüsse oder den Rat weiter. Er kann auch eine Empfehlung für die Entscheidung geben, die er nicht selbst treffen kann.

In den Bezirksvertretungen gibt es eine zusätzliche Möglichkeit, Anliegen unmittelbar vorzubringen. Dazu dient die Einwohnerfragestunde. Es können schriftlich Fragen gestellt werden, die in einer Fragestunde im Rahmen der Tagesordnung einer Sitzung beantwortet werden. Ein Nachteil ist, dass sich der Fragesteller an der Diskussion über seine Frage in der Bezirksvertretung nicht beteiligen darf.

Eine weitere Form der Bürgerbeteiligung hat sich im Laufe der letzten Jahre herausgebildet. Das ist die Bürgerbefragung oder die Erörterung von Vorhaben in Bürgerversammlungen. Davon wird dann Gebrauch gemacht, wenn man sicher sein will, dass Entscheidungen einer möglichst großen Zahl von Bürgern angenehm sind. Diese Mittel werden angewandt, bevor der Oberbürgermeister seine Entscheidungsvorschläge dem Rat vorlegt. Meist geht es um Fragen der Stadtentwicklung.

Bürgerbegehren und Bürgerentscheide sind weitere Möglichkeiten, Kommunalpolitik zu gestalten. Dabei liegt die Handlungsinitiative bei den Bürgern. Das Bürgerbegehren ist ein Verfahren, den Rat zu zwingen, sich mit einem Anliegen zu befassen. Der Bürgerentscheid ersetzt eine Ratsentscheidung. Einleitung und Durchführung unterliegen strengen gesetzlichen Regeln. Sie sind die extremste Form von Kommunalpolitik mit unmittelbarer Bürgerbeteiligung.


Resümee

So also funktioniert Kommunalpolitik! - Schön wäre es. - Denn so funktioniert sie nur, wenn die dafür geltenden Regeln eingehalten werden.

Das Wohl der Einwohner lässt sich in freier Selbstverwaltung auch erfüllen, wenn man die dafür geltenden Regeln – sagen wir mal – ein wenig großzügig handhabt. Es muss ja nicht gleich ein Gesetz gebrochen werden. Aber wenn die Frage zu beantworten ist, wie eine Angelegenheit zu erledigen ist, gibt es bekanntlich häufig mehrere Möglichkeiten. Wenn der Oberbürgermeister als derjenige, der in einem solchen Falle die Entscheidung vorzubereiten hat, diese erst mit seinen Parteigenossen abstimmt, werden diese so abstimmen, wie mit dem Oberbürgermeister besprochen. So eine Angelegenheit ist ja noch leicht zu durchschauen und bis zu einem gewissen Grade mit dem Hinwies darauf, dass dies demokratisch sei, zu begründen und auch tolerierbar. Wenn der Oberbürgermeister sich aber einer bestimmten Mehrheit im Rat zugehörig fühlt und deshalb entsprechend den Anweisungen handelt, die ihm die Sprecher dieser Mehrheit, z. B. Fraktionsvorsitzende empfehlen oder gar befehlen, wird es schwieriger, Verständnis zu erwarten. Das kann ja auch soweit gehen, dass Angelegenheiten mit Verzögerung zur Beratung gestellt werden, weil die Gruppierung, mit welcher der Oberbürgermeister abgestimmt zu handeln beabsichtigt, keine einhellige Meinung hat. Hier wird dann das Gemeinwohl dem Gruppeninteresse geopfert. Doch ein Rechtverstoß, der geahndet werden könnte, ist das nicht.

Auf diese Weise wird in der Praxis die dem Gemeinwohl verpflichtete Kommunalpolitik nach festgelegten Regeln zum freien und nicht mehr berechenbaren Kampf um Gruppeninteressen. Wenn der Bürger den Eindruck gewinnt, dass diese Situation für sein Gemeinwesen, z.B. Stadt Mönchengladbach eingetreten ist, wird er das Interesse verlieren, sich durch Beteiligung an Kommunalwahlen einzumischen. Zu fragen bleibt, ob es in unserer Stadt schon soweit ist.

 

Verantwortlich im Sinne von § 5 TMG

Erich Oberem sen.
Kampsheide 9, 41063 Mönchengladbach

 

Tel: +49 2161 896528
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E-Mail: info@fwg-in-mg.de

Der Kommentar - aus und für Mönchengladbach

Diese Website wird seit der Auflösung der Freien Wählergemeinschaft 2016 vom ehemaligen Vorsitzenden Erich Oberem sen. fortgeführt.

 

Dabei sollen Informationen und Einschätzungen zu kommunalpolitischen Angelegenheiten für Interessierte vermittelt werden.